David Foster Wallace: Tennisspielendes Mathegenie mit Depressionen

David Foster Wallace wird von seinen Fans einfach nur DFW genannt. DFW hat Reden geschrieben und Bestseller, Tennis auf Landesebene gespielt und war sogar gut in Mathe. Leider hatte er Depressionen und beging Selbstmord.

Er hatte einen ganzen Kosmos aufgebaut, Familie, Fans, Studenten, die wie die Planeten um ihn herumkreisten. DFW trug gerne komische 90s Kopftücher wie Axl Rose, war gut gebaut, langhaarig und konnte auch nur mit seiner Statur die Frauen um den Finger wickeln. Das wollte er aber nie.

David Foster Wallace schreibt Bücher stark wie Mauern

Komischerweise ist dieser Mann in unseren Breitengraden relativ unbekannt. Dabei lohnt es sich, jedes einzelne Wort, das aus den Gyri und Sulci seines Gehirns über die Nervenbahnen in die Finger, über die Tastatur auf den Bildschirm projeziert wurden, wieder zurück durch die eigenen Neuronen springen zu lassen. Er verändert Leben. Er gehört zu den Menschen, die viel zu sensibel, viel zu schlau und viel zu rücksichtsvoll sind, um ein großes Amt zu bekleiden. Wären Menschen wie er an der Macht, es wäre eine bessere Welt. Nicht für Mitt Romney, aber für alle, die manchmal das Gefühl haben, zu fett, zu schwach, zu klein, zu dumm, zu arm, zu traurig oder zu einsam zu sein.

Sein Stil ist die verschriftlichte Diversität des Lebens. Wenn ein Tweet eine Plastik-Palme ist, dann sind seine Bücher der brasilianische Dschungel. Falls der Redaktions-Chef mal wieder an der Satzlänge nörgelt, an den langen, verrückten Strukturen, den ewigen Kommas, obwohl es doch verschiedene Sätze sind, dann lohnt es sich, DFW-Bücher zur Hand zu nehmen und die Schwierigkeiten, die Kleinigkeiten, die Abartigkeiten und die Schönheiten des Lebens zu zelebrieren, und den Chef trotzdem zu respektieren, denn DFW plädiert dafür, aus den alten Denkmustern auszubrechen. Was denken Sie, wenn Sie eine fette Frau sehen, die schlecht gelaunt in einem SUV sitzt? Genau da setzt er an.

David Foster Wallace erklärt Wasser

Sein Leben ist unglaublich spannend, es empfiehlt sich, bei Wikipedia anzufangen und sich dann durch die Tiefen des Internets zu wühlen, es gibt viel kostenlos zu verschlingen. Dann sollte sein Lobster Text (Am Beispiel des Hummers) einverleibt werden, selbst hartgesottene Fleischfresser werden für einen kurzen Moment innehalten und ihre Festplattenprogrammierung überdenken. Oft gemeinsam publiziert mit „kurze Interviews mit fiesen Männern“, ein Versuch zu ergründen, ob man fremde Erfahrungen (Holocaust, Vergewaltigung) überhaupt irgendwie verstehen, nachempfinden kann. Wichtig ist auch, dass DFW kein Vegetarier war, er wechselte die Perspektive, ohne seine eigene zu vergessen.

 

Der sogenannte Commencement-Speech, den er 2005 im Kenyon College hielt, ist berühmt geworden und als Buch unter dem Titel „Das ist Wasser“ erschienen. Commencement-Reden sollten auch bei uns Standard werden, sofern diese schlaue Leute wie DFW halten. Und dann muss „Unendlicher Spaß“ aufgegessen werden. Es fühlt sich nicht wie lesen an, denn das Buch nimmt Besitz vom Leser, nicht umgekehrt. DFW handelt unsere Gesellschaft ab.

David Foster Wallace kämpfte sein Leben lang gegen Depressionen

2008 hat er sich erhängt. „Sorry“ stand auf dem Zettel, den er seiner Familie hinterließ. Er konnte seinen Geist benutzen, wie kaum jemand anderes, aber die Krankheit der Depression war zu stark für ihn. Er schrieb Wahrheiten, die Goethe erst im hohen Alter zu Papier brachte. Und ja, auch er scheint sich unsterblich gemacht zu haben, durch seine Arbeit. Das wäre auch der Kern seines neuen Buches gewesen, Arbeit. Es gibt Gerüchte, dass er das Thema nicht bändigen konnte. Ob dieses Buch Teil hatte, an seinem Selbstmord, bleibt unklar. Aber es hätte ihm sicherlich nicht gefallen, dass er berühmter ist, als ein Fabrikarbeiter in einer Kleinstadt, dass sein Leben wichtiger erscheint. So kann man gar nicht anders, als ihn fast wie einen Heiligen zu sehen. Doch wer, ob aufgrund der Lektüre oder der Persönlichkeit, seine Mitmenschen besser behandelt, der hat das Erbe von David Foster Wallace angenommen.

David Foster Wallace: Das ist Wasser, Am Beispiel des Hummers, Unendlicher Spaß

Zitate:

Am Beispiel des Hummers (Consider the Lobster, auf deutsch auch: Humanismus auf Hummerbasis, weshalb auch der Übersetzer mit Preisen geehrt werden sollte)

  • Ein Detail, das offenbar so selbstverständlich ist, dass es in den meisten Kochbüchern nicht einmal erwähnt wird: Der Hummer kommt lebend in den Topf!
  • Aber auch nachdem der Hummer im Wasser untergegangen ist, ja, selbst bei geschlossenem Deckel hört man, wie er sich dagegen wehrt und aus seiner Not entkommen will. Dieses Kratzen der Scheren an der Topfwand, die Stöße gegen den Deckel, wenn der ganze Körper hin und her peitscht!
  • Ist es eigentlich in Ordnung, aus reiner Freude am Genuss ein fühlendes Wesen in einen Topf mit kochendem Wasser zu werfen?

Das ist Wasser (hier gibt es kaum deutsche Übersetzungen online, wer englisch spricht findet die Rede als Video oder Text kostenlos im Netz):

  • „Schwimmen zwei junge Fische daher und treffen auf einen älteren Fisch, der in die andere Richtung schwimmt, ihnen zunickt und sagt: “Morgen, Jungs. Wie ist das Wasser?” Und die beiden jungen Fische schwimmen noch ein bisschen, bis der eine schließlich zum andern herübersieht und sagt: “Was zur Hölle ist Wasser“?
  • Wie gelingt einem ein angenehmes, gut situiertes und respektables Erwachsenendasein, ohne dass man tot, gedankenlos und tagein, tagaus ein Sklave des eigenen Kopfes und der angeborenen Standardeinstellung wird, die vorgibt, dass man vor allem total auf sich allein gestellt ist?

Unendlicher Spaß:

  • Wie die meisten Nordamerikaner seiner Generation weiß er weit weniger über den Grund seiner Einstellung zu bestimmten Gegenständen und Neigungen als über diese Gegenstände und Neigungen selbst.
  • Ich wollte mir nicht unbedingt weh tun. Oder mich irgendwie bestrafen. Ich hasse mich nicht. Ich wollte bloß raus. Ich wollte nicht mehr mitspielen, das ist alles.
  • Alles Unerträgliche ist im Kopf, weil der Kopf nicht in der Gegenwart verweilt, sondern die Mauern hochklettert, Erkundigungen einzieht und mit unerträglichen Nachrichten zurückkommt, die man dann irgendwie glaubt.
  • Ich möchte darauf hinaus, dass manche Menschen Angst davor haben, echten Schmerz, echte Trauer oder richtigen Zorn auch nur mit der großen Zehe anzustupsen. Das bedeutet, sie haben Angst vor dem Leben. Sie sind in etwas eingesperrt, glaube ich. Innerlich eingefroren, gefühlsmäßig. Warum das so ist? Das weiß niemand, Spätzchen. Manche Leute nennen das ,Suppression'“, wieder mit den Gänsefüßchenfingern. „Dolores meint, das geht auf Kindheitstraumen zurück, aber meiner Meinung nach stimmt das nicht immer. Es kann sein, dass manche Menschen eingesperrt auf die Welt kommen. Die Ironie ist dabei natürlich, dass sich gerade das Eingesperrtsein, das den Ausdruck der Trauer verhindert, höchst traurig und schmerzhaft anfühlen muss.
  • Interessanterweise behandeln die darstellenden Künste der millennialen USA Anhedonie und innere Leere als hip und cool. Vielleicht ist das ein Überbleibsel des von der Romantik verklärten Weltschmerzes. Vielleicht liegt es daran, dass der größte Teil der Künste hier von kultivierten, aber schwermütigen älteren Leuten produziert, aber von jüngeren Leuten konsumiert wird, die Kunst nicht einfach nur konsumieren, sondern sie nach Hinweisen darauf absuchen, wie Coolness und Hipness gehen – und man darf nicht vergessen: Hipness und Coolness sind für Kinder und Jugendliche gleichbedeutend damit, bewundert, akzeptiert, aufgenommen und Unallein zu sein. Den sogenannten Gruppenzwang kann man vergessen. Eher geht es um Gruppengier. Oder? In der spirituellen Pubertät geht uns auf, dass der große transzendente Horror die Einsamkeit ist, die Ausgeschlossenheit, die Einsperrung im Selbst. In diesem Alter würden wir alles dafür geben oder nehmen, jede Maske anlegen, um zu passen, um dazuzugehören, nicht allein zu sein, wir Jungen.
  • Also schaut man privat, hinter herabgelassenen Jalousien im trauten Heim, sehr viel auf maßgefertigte Bildschirme. Eine haltlose raumlose Welt privaten Schauens. Ein neues tausendjähriges Reich unter Gentle und Lace-Forché. absolute Freiheit, Privatheit, Wahlmöglichkeit.
  • Hierin gründet auch die leidenschaftliche Live-Schaulust des neuen Jahrtausends. Ein ganzes diskret gehandhabtes Programm optischer Spektakel, „opti-Speks“, die unbezahlbare Gelegenheit, Teil einer schauenden Livemenge zu werden.
  • Don, ich bin vollkommen. Ich bin dermaßen schön, dass ich jeden fühlenden Menschen ganz einfach um den Verstand bringe. Sobald man mich gesehen hat, kann man an nichts anderes mehr denken, will man nichts anderes mehr sehen, vernachlässigt man seine sonstigen Verpflichtungen und redet sich ein, wenn man nur jederzeit mich um sich haben könnte, würde alles gut.

 

Wie sagte Mark Twain einmal: Noch niemals sah ich einen Menschen, der wirklich die Wahrheit sucht. Jeder, der sich auf den Weg gemacht hatte, fand früher oder später, was ihm Wohlbefinden gewährte. Und dann dann gab er die weitere Suche auf.

Er ist einfach zu früh gestorben, um David Foster Wallace zu lesen.Similar Posts: